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Zusammenfassung des Berichts
In Bayern werden Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft, im Wald, in Siedlungen und im Verkehrsbereich eingesetzt. Bayern ist eine der führenden Kernregionen der Land- und Ernährungswirtschaft in Europa. Die Landwirtschaft in Bayern erzeugt vielfältige, qualitativ hochwertige Lebensmittel und nachwachsende Rohstoffe für die energetische und stoffliche Verwertung auf gesunden und fruchtbaren Böden. Pflanzenschutzmaßnahmen müssen nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis durchgeführt werden. Das Leitbild ist der integrierte Pflanzenschutz, wonach unter Berücksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden soll.
Pflanzenschutz – so wenig wie möglich, so viel wie nötig.
Der Pflanzenschutz wird von der EU sehr umfassend geregelt. Umgesetzt wird das EU-Recht in Deutschland vor allem mit dem Pflanzenschutzgesetz und mehreren Verordnungen. Alle beruflichen Verwender von Profi-Pflanzenschutzmitteln müssen die allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes einhalten. Das Prinzip ist: So wenig wie möglich, so viel wie nötig.
Aktionsplan zur Halbierung des chemisch-synthetischen Pflanzenschutzes in Bayern bis 2028
Im Mai 2019 wurde das Maßnahmenpaket des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zugunsten der Artenvielfalt und Naturschönheiten in Bayern veröffentlicht. Die Maßnahmen sollen zum Erhalt und zur Steigerung der Artenvielfalt in Bayern beitragen. Die Halbierung des Pflanzenschutzes wurde als Maßnahme formuliert, die neben der Landwirtschaft auch weitere Anwendungsbereiche, wie Kommunen oder Haus- und Kleingärten erfasst. Im März 2022 bekannte sich der Bayerische Landtag zum Aktionsplan zur Halbierung des chemisch-synthetischen Pflanzenschutzes in Bayern bis 2028. Als Ausgangsbasis für den Pflanzenschutzmitteleinsatz in Bayern soll das 5-jährige Mittel der Jahre 2014 bis 2018 verwendet werden. Als chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel werden Pflanzenschutzmittel verstanden, deren Wirkstoffe nicht im ökologischen Landbau zugelassen sind. Daher werden Wirkstoffe, die im ökologischen Landbau zugelassen sind, nicht in die Betrachtung der Gesamtmenge einbezogen. Ebenso finden inerte Gase und andere Mittel im Vorratsschutz keine Berücksichtigung. Im Vordergrund steht zunächst, die Entwicklung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in Bayern ab 2014 zu beschreiben, und eine Basislinie bezogen auf den Referenzzeitraum von 2014 bis 2018 für das Ziel einer 50 %-Reduktion des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel bis 2028 zu schätzen.
Datengrundlage
Für den Zeitraum von 2014 bis 2022 wurden Daten des Marktforschungsunternehmens Kynetec Germany GmbH zum Pflanzenschutz in Mais, Winterweizen, Wintergerste, Sommergerste, Winterraps, Zuckerrüben, Kartoffeln, Apfel und Weinreben ausgewertet. Die Daten zum Pflanzenschutz im Hopfen stammen von bayerischen Erhebungsbetrieben aus dem Panel Pflanzenschutzmittel-Anwendungen (PAPA) und Vergleichsbetrieben aus dem Netz Vergleichsbetriebe Pflanzenschutz des Nationalen Aktionsplanes zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP). Die genannten Kulturen decken ca. 83 % der konventionell bewirtschafteten Fläche mit Status Ackerland oder Dauerkultur ab und sind besonders relevant für den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln. Im Mittel der Jahre von 2014 bis 2018 lag die auf Bayern hochgerechnete Menge an chemisch-synthetischen Wirkstoffen in den betrachteten Kulturen insgesamt bei 2879 t pro Jahr. Seit 2016 ist ein Rückgang der Wirkstoffmenge zu beobachten. Im Vergleich zum fünfjährigen Mittel ging die Wirkstoffmenge bis 2022 um etwa 19 % zurück. Die Anteile der Wirkungsbereiche an der Gesamtwirkstoffmenge unterlagen im Laufe der Jahre nur geringfügigen Schwankungen. Maßnahmen im Rahmen von Stoppel-, Zwischenfrucht oder Vorsaatbehandlungen wurden nicht systematisch erfasst, so dass die Wirkstoffmengen entsprechend unterschätzt sind. Dies betrifft in erster Linie den Wirkstoff Glyphosat. Basierend auf den Daten von Kynetec lagen die Mengen dieses Wirkstoffs in den berichteten Kulturen zwischen 95 t (2014) und 23 t (2019) pro Jahr. Basierend auf den bundes-weiten PAPA-Daten (verfügbar bis 2020) ergeben sich für Bayern für die PAPA-Erhebungskulturen Schätzungen beim Glyphosat, die in Summe zwischen 502 (2015) und 403 t (2019) pro Jahr liegen. In Anlehnung an den Harmonisierten Risikoindikator 1 (HRI 1) der Europäischen Kommission wurde für die vorliegenden Daten ein Index berechnet, um die Entwicklung des Risikos, das von den eingesetzten Wirkstoffen ausgeht, abschätzen zu können. Der Risikoindex nimmt seit 2016 ab und lag im Jahr 2021 um etwa 51 % unter dem Wert des Referenzzeitraums 2014 bis 2018.
Einsatzgebiete
Rund ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF), die konventionell bewirtschaftet wird, ist Dauergrünland. Der Pflanzenschutz hat auf dem Grünland nur eine sehr geringe Bedeutung und der Einsatz von Herbiziden unterliegt starken Einschränkungen. Gemäß dem Bayerischen Naturschutzgesetz ist ein flächiger Herbizideinsatz nur noch in Ausnahmefällen nach einer Genehmigung der Naturschutzbehörde möglich.
Im Freizeitgartenbau wird unterschieden zwischen den Hausgärten und den Kleingärten. Während im Kleingartenbereich insbesondere der Anbau von Obst und Gemüse für den eigenen Bedarf im Vordergrund steht, geht der Trend im Hausgartenbereich zum pflegeleichten Garten mit größerem Anteil an Rasenflächen und Ziergehölzen. Der Anteil der Wirkstoffmenge, der in den bayerischen Haus- und Kleingärten von nicht-beruflichen Anwendern appliziert wurde, wurde anteilsmäßig über die Fläche geschätzt. Unter der Annahme, dass die applizierte Menge in Bayern etwa 17 % der bundesweit jährlich abgesetzten Menge ausmacht, wurden in Bayern in den Haus- und Kleingärten zwischen 46 t (2014) und 86 t (2016) an Wirkstoffen aus den rein chemisch-synthetischen Wirkstoff-gruppen pro Jahr ausgebracht. Im Mittel der Jahre von 2014 bis 2018 wurden demnach 67 t chemisch-synthetische Wirkstoffe pro Jahr appliziert.
Pflanzenschutzmittel werden im Wald nur als "letztes Mittel der Wahl" eingesetzt. Lediglich wenn vorbeugende oder mechanische Regulierungsmaßnahmen nicht wirksam sind und Schäden an Waldbeständen, Kulturen oder Pflanzenerzeugnissen drohen, ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Ausnahmesituationen möglich. Pflanzenschutzmaßnahmen im Wald beinhalten v. a. die Ausbringung von Wildschadensverhütungsmitteln, Polterbehandlungen gegen Borkenkäfer, die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln per Hubschrauber im Zusammenhang mit der Massenvermehrung phyllophager (= blattfressender) Insekten (z. B. Schwammspinner), Maßnahmen gegen den großen Braunen Rüsselkäfer in Neukulturen sowie Maßnahmen gegen Mäuse. Während es keine repräsentativen Erhebungen zum Pflanzenschutzmitteleinsatz im Privat- und Körperschaftswald gibt, liegen Daten für den Staatswald und zu Maßnahmen gegen Massenvermehrung phyllophager Insekten vor. Im Mittel der Jahre 2014 bis 2018 lag die Menge an ausgebrachten chemisch-synthetischen Wirkstoffen auf der Waldfläche, die in Bayern über Luftfahrzeuge gegen den Schwammspinner behandelt wurde, bei 0,03 t pro Jahr. Im Staatswald wurden in diesem Zeitraum zusätzlich vom Boden aus im Schnitt 0,05 t pro Jahr chemisch-synthetische Wirkstoffe ausgebracht.
Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Nichtkulturland (Industrie-, Wege- und Verkehrsflächen, Gleisanlagen, Flächen an und in Gewässern, Böschungen, Feldraine etc.) ist grundsätzlich verboten. Ausnahmen sind unter bestimmten Bedingungen möglich. So-fern Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, handelt es sich um sicherheitsrelevante Be-reiche wie z. B. flächenmäßig begrenzte, explosionsgefährdete Bereiche im Bereich von Kläranlagen oder Gleiskörper im Schienenverkehr. Die Mehrheit der erteilten Ausnahmegenehmigungen betrifft die Anwendung von Herbiziden auf Bahnhöfen, Gleisanlagen und sonstigen Infrastrukturobjekten schienengebundenen Verkehrs. Die Gleislänge in Bayern betrug von 2014 bis 2022 nach Aussage der Deutschen Bahn 10.500 km. Die Zahlen für Bayern wurden anteilsmäßig geschätzt. Im Mittel der Jahre von 2014 bis 2018 wurden demnach 12,3 t chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittelwirkstoffe pro Jahr auf den Gleisanlagen der Deutschen Bahn in Bayern ausgebracht. Ab dem Jahr 2020 war eine deutliche Reduktion im Vergleich zum fünfjährigen Mittel zu verzeichnen, die maßgeblich auf eine Reduktion der behandelten Gleiskilometer zurückzuführen ist.
Pflanzenschutzmittelanwendungen im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau betreffen häufig Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind. Auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, ist gesetzlich vorgeschrieben, die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln so weit wie möglich zu minimieren. Der tatsächliche Behandlungsumfang auf diesen Flächen lässt sich nur schwer abschätzen, da der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im öffentlichen Grün nicht zentral erfasst wird. Jedoch versuchen die Kommunen bereits heute den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.
Aus den vorliegenden Zahlen ergibt sich eine vorläufige Basislinie für den Referenzzeit-raum 2014 bis 2018 von 2.959 t an eingesetzten chemisch-synthetischen Wirkstoffen und ein Rückgang bis 2022 auf 2.390 t (-19 %).
Ziel
Das Ziel einer 50 %-Reduzierung des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, die alle gesellschaftlichen Gruppierungen betrifft. Daher sind alle relevanten Bereiche, in denen Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, einzubeziehen. Neben dem Freizeitgartenbau, der Bahn, Staat und Kommunen stehen insbesondere die Landwirtschaft, der Gartenbau und Weinbau schon aufgrund des Umfangs ihrer Flächennutzung vor besonderen Herausforderungen. Die Staatsregierung unterstützt den Umsetzungsprozess mit einem ganzen Maßnahmenbündel in den Bereichen Forschung, Wissenstransfer und Förderung. Im landwirtschaftlichen Bereich liegt der Fokus neben den Forschungen zum ökologischen Landbau auf der Weiterentwicklung des integrierten Pflanzenschutzes, insbesondere auf vorbeugenden Maßnahmen.
PSM-Messnetzwerk der LfL
Um die Entwicklung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln (PSM) in der Landwirtschaft in den Jahren 2020 bis 2026 zu ermitteln, baut die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) ein PSM-Messnetzwerk auf. Darin werden die Daten eines Betriebsmessnetzes sowie die Daten von bayerischen PAPA-Erhebungs- und NAP-Vergleichsbetrieben einfließen. Das Ziel ist eine Hochrechnung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes von Praxisbetrieben auf Bayern. Mit den Hochrechnungen aus dem PSM-Messnetzwerk werden die Zahlen aus der Marktforschung und der sich daraus ergebende Trend überprüft, Datenlücken in den Marktforschungszahlen geschlossen und die Basislinie für das 50 %-Reduktionsziel geschätzt.