Bereits 2003 haben acht Gemeinden entlang der Autobahn A 71 Schweinfurt nach Erfurt, ein „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit“, die großen Herausforderungen erkannt, vor denen der ländliche Raum aufgrund der demografischen Entwicklung und des Strukturwandels in der Landwirtschaft sowie in Konkurrenz zu den städtischen Verdichtungsräumen steht. Den Kommunen war klar, dass sie nur durch gemeinsames Handeln Vorsorge für eine zukunftsfähige Entwicklung treffen können. Seit 2009 ist die Interkommunale Allianz Oberes Werntal auf zehn Kommunen angewachsen. Ein Integriertes Ländliches Entwicklungskonzept bildet die Arbeitsgrundlage für ein gemeindeübergreifend abgestimmtes Vorgehen, um insbesondere die Dörfer attraktiv und lebenswert zu erhalten.
Gemeinsamkeiten stärken
Der Bau der Autobahn A 71 von Schweinfurt-Erfurt war im Jahr 2003 Anlass für die Erarbeitung eines Interkommunalen Entwicklungskonzeptes, mit dem die Grundlage für eine gemeinsame Entwicklung geschaffen werden sollte. Unter Begleitung und mit Förderung des Amtes für Ländliche Entwicklung Unterfranken wurde im Jahr 2006 das Interkommunale Entwicklungskonzept zu einem Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzept (ILEK) fortgeschrieben. Die Integrierte Ländliche Entwicklung Oberes Werntal umfasst den Markt Werneck und die Gemeinden Bergrheinfeld, Dittelbrunn, Euerbach, Geldersheim, Niederwerrn, Poppenhausen, Waigolshausen und Wasserlosen aus dem Landkreis Schweinfurt und die Gemeinde Oerlenbach aus dem Landkreis Bad Kissingen. Auf einer Fläche von rund 300 km² leben in den zehn Gemeinden mit 46 Ortsteilen rund 52 000 Menschen. Das kleine Flüsschen Wern bildet die Landmarke in einem Gebiet, das überwiegend landwirtschaftlich geprägt ist. Gemeinsames Ziel der zehn Gemeinden, die teils in unmittelbarer Nähe der Kreisstadt Schweinfurt und teils im peripheren, ländlich strukturierten Raum liegen, war es, den Menschen in der Region mehr Lebensqualität zu vermitteln und die Dörfer als attraktive, zukunftsfähige Wohn-, Lebens- und Arbeitsstandorte zu erhalten und zu gestalten. Das unter fachlicher Betreuung und unter Mitwirkung von Arbeits- und Projektgruppen erarbeitete ILEK umfasste insbesondere folgende Handlungsfelder:
Etablierung eines eigenständigen Wirtschafts- und Wohnstandortes
Regionalmarketing und Standortförderung
Naherholung, Freizeit und Kultur
Dorf- und Flurentwicklung
Bei der Erarbeitung des Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzeptes wurden deutlich die Probleme und Defizite in den Dörfern aufgezeigt. Zahlreiche ehemals landwirtschaftlich genutzte Hofstellen in den Altorten stehen aufgrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft leer. Neue Wohnbaugebiete sind an den Ortsrändern entstanden und die Bevölkerung in den Ortskernen ist überdurchschnittlich alt. Dazu kommt ein für den Landkreis Schweinfurt prognostizierter Bevölkerungsrückgang von rund 10 % bis zum Jahr 2028. Wegen der zentralen Bedeutung des Umgangs mit dieser demografischen Entwicklung, wird nachfolgend auf das Handlungsfeld Innenentwicklung ausführlich eingegangen. Weitere Leistungen der Integrierten Ländlichen Entwicklung werden hingegen nur kurz vorgestellt.
Flächenmanagement
Mit dem Modellprojekt „Flächenmanagement in interkommunaler Zusammenarbeit“ im Rahmen des Aktionsprogramms „Bündnis zum Flächensparen“ wurde Mitte 2007 bis Ende 2008 erstmals in Bayern ein gemeindeübergreifendes Vorgehen zur Erfassung der Innenentwicklungspotentiale erprobt. Die Ergebnisse des Modellprojektes zeigten, dass das vorhandene, verfügbare Bauland den prognostizierten Bedarf weit übersteigt. Durch gezielte Ansprache der Eigentümer konnten bis heute in den Gemeinden bereits 45 leer stehende Althofstellen und Wohngebäude bzw. Baulücken in den Altortbereichen aktiviert werden. Seit September 2009 steht die hier erprobte Flächenmanagement-Datenbank allen bayerischen Gemeinden zur Verfügung, um die Innenentwicklungspotenziale zu erfassen und zu verwerten.
Schwerpunkt in der Zusammenarbeit der Gemeinden ist es, die innerörtlichen Brachflächen und Gebäudeleerstände einer Nutzung zuzuführen, um die Funktionsfähigkeit der Ortskerne zu erhalten und dem Flächenverbrauch insbesondere für Siedlungszwecke entgegenzuwirken. Hierbei kann nur ein gemeinsames und gemeindeübergreifendes Vorgehen Erfolg versprechen. Daher verpflichteten sich die Gemeinden im April 2008 in der sogenannten „Oerlenbacher Erklärung“ zur Innenentwicklung und zum Flächensparen. In der gemeinsamen Leitlinie wurde der Nutzung von innerörtlichem Bauland und von Gebäuden im Bestand der Vorrang vor der Neuausweisung von Baugebieten im Außenbereich eingeräumt.
Innenentwicklungskonzept
Aufbauend auf den Ergebnissen des Projektes zum Flächenmanagement haben die Gemeinden ein Konzept zur Innenentwicklung ihrer Dörfer erarbeitet. Unter Beachtung der regionstypischen Siedlungsstrukturen und unter intensiver Mitwirkung der Bürger wurden beispielhafte und übertragbare Handlungsempfehlungen für die Umgestaltung von Innenortsbereichen zur Siedlungs- und Bauentwicklung ohne weitere Außenentwicklung aufgezeigt. Die interkommunale Abstimmung ermöglicht es, den Weg zu einer regionalen und gemeinsam getragenen Siedlungspolitik mit dem Ziel zu beschreiten, Konkurrenzsituationen aufzufangen und Fehlentwicklungen zu vermeiden.
In neun Gemeinden wird interessierten Bauherren für Vorhaben im Altortbereich eine kostenlose Bauberatung durch einen qualifizierten Architekten angeboten.
Für potentielle Bauherren oder Verkäufer und Käufer von Anwesen wurden in allen Gemeinden Innenentwicklungslotsen als Ansprechpersonen für das Bauen im Altortbereich benannt.
Gemeinsam mit der Bayerischen Architektenkammer und dem Amt für Ländliche Entwicklung Unterfranken veranstalteten die Gemeinden einen gemeinsamen Tag der Innenentwicklung.
Beispiele
Mit dem Modellprojekt Bauhütte in Obbach wurde eine zentrale Plattform geschaffen, die Informationen für Eigentümer und Handwerker gleichermaßen bietet. Auf einem leer stehenden, ehemals landwirtschaftlichen Anwesen werden die Möglichkeiten der Revitalisierung alter Bausubstanz in Kombination mit der Neubebauung eines innerörtlichen Grundstückes unter dem Gesichtspunkt zeitgemäßen Wohnens beispielhaft vorgestellt. Das Modellprojekt Bauhütte hat sich zwischenzeitlich zu einem vielbesuchten Anschauungsobjekt zum Thema Innenentwicklung und Altortrevitalisierung entwickelt.
Zur Verringerung des Flächenverbrauchs und zur Vermeidung kommunaler Konkurrenz haben die Gemeinden Oerlenbach und Poppenhausen ein interkommunales Gewerbegebiet mit einer Gesamtgröße von 27 ha unmittelbar an der Anschlussstelle Bad Kissingen der A 71 ausgewiesen. Derzeit laufen die ersten Baumaßnahmen zur Erschließung des Geländes. Der Regionalmarkt ist seit 2006 ein jährlich stattfindender Aktionstag zur Stärkung der regionalen Wirtschaft, in dem Unternehmer und Handwerker aus dem Oberen Werntal ihr vielfältiges Waren- und Dienstleistungsangebot präsentieren. Um Jugendlichen und Studenten die Region näher bringen zu können, werden zahlreiche Veranstaltungen wie Seminare oder die Aktion „Regionalreporter“ etc. durchgeführt.
In Egenhausen ist in der ehemaligen Schule ein Kompetenz-, Erlebnis- und Informationszentrum zur Entstehung und Entwicklung der historisch gewachsenen fränkischen Bildstocklandschaft eingerichtet worden. Das gemeinsam von allen Gemeinden finanzierte Vorhaben ist ein Kooperationsprojekt von Leader und Dorferneuerung. In Sömmersdorf finden alle fünf Jahre die weit über die Region hinaus bekannten Passionsspiele statt. Hier ist, ebenfalls in einem Kooperationsprojekt von Leader und Dorferneuerung, das leer stehende Nebengebäude der ehemaligen Schule saniert und für eine Dauerausstellung zum Passionsspiel umgebaut worden.
Zur Stärkung des Wandertourismus planen die Gemeinden in der Region ein Wanderwegekonzept, das zum einen interessante Ziele erschließt und zum anderen auch die Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe einbindet. Ein jährlich in Wasserlosen stattfindender Wandertag unterstützt dieses Vorhaben. Landkreisübergreifend wird jährlich mit dem Landkreis Main-Spessart der Aktionstag „Radlspaß im Werntal“ veranstaltet. Mit dieser Aktion wird der Wern-Radweg auf der gesamten Länge mit 78 km von der Quelle bis zur Mündung beworben
Ende der 90er Jahre war es notwendig, die Auswirkungen des Autobahnbaus für Landschaft und Landwirtschaft auszugleichen. Dazu wurden entlang und im näheren Umfeld der Autobahn zehn Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz durchgeführt. Mit dem Landmanagement der Ländlichen Entwicklung konnte das für das Großprojekt erworbene Land dorthin verlegt werden, wo heute die Autobahn oder neue Bundesstraßenanschlüsse und Ortsumgehungen verlaufen. Zudem konnten in den Flurneuordnungen bereits vorweg Ziele der ILE umgesetzt werden. So wurde ein großes interkommunales Gewerbegebiet realisiert. Zudem sind heute zahlreiche landwirtschaftliche Wege Teile des Radwegenetzes. Besonders wichtig waren diese Flurneuordnungen aber für den unverzichtbaren Wirtschaftsfaktor Landwirtschaft in der ILE-Region. Denn für die Landwirte wurden nicht nur die Nachteile durch die Durchschneidungen behoben, sondern auch ihre Grundstücke zweckmäßig zusammengelegt. Insgesamt wurden 3 200 Hektar für 4 500 Grundeigentümer neu geordnet. Mit den Flurneuordnungen war auch ein Grundstein für die erfolgreiche gemeindeübergreifende Zusammenarbeit gelegt und das wichtige Ziel, die Landwirte deutlich in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, bereits zu Beginn der ILE erfüllt.
Broschüre
Youtube-Video
Flächensparen durch Innenentwicklung in der kommunalen Kooperation Oberes Werntal
Zum Youtube-VideoZusammenfassung
Das Amt für Ländliche Entwicklung Unterfranken begleitet und unterstützt die kooperierenden Gemeinden auf ihrem gemeinsamen Weg, die Dörfer als attraktive Wohn-, Lebens- und Arbeitsstandorte zu erhalten und zu gestalten. In insgesamt 16 Flurneuordnungen wurde bzw. wird die Agrarstruktur nachhaltig verbessert. Zum Schwerpunkthandlungsfeld Innentwicklung und Altortrevitalisierung der Dörfer werden sechs umfassende Dorferneuerungen mit 13 Einzelvorhaben der einfachen Dorferneuerung durchgeführt. Zur Verbesserung der radtouristischen Infrastruktur wurden in drei Fällen Wirtschaftswege zum Lückenschluss des Radwegenetzes ausgebaut. Ferner sind für sechs Projekte der Leader Aktionsgruppe Schweinfurter Land in den Allianzgemeinden eine Leader-Förderung beantragt und bewilligt.